Den Hintern abwischen und weiter machen?

„Ich bin fertig!“ – „Und jetzt? Soll ich dir den Hintern abwischen?“ Hat meine Grundschullehrerin sarkastisch geantwortet, wenn dies jemand nach einer erledigten Aufgabe gerufen hat.

 

Instagram Experiment:
Ich bin fertig! Rufe ich ins Leere. Keine Lehrerin, die sich dafür interessieren könnte oder mich dazu bringt mir den Hintern selbst abzuwischen und mit etwas Anderem weiter zu machen. Ich stellte mir selbst diese Aufgabe, führte sie durch, reflektierte mich, sage zu mir es reicht nun, und jetzt…? „Ich bin fertig“ rufe ich ins Leere.

 

Studium:
„Ich bin fertig!“ rief ich lauthals in Online-Bewerbungsportale hinein, heftete es in Bewerbungsmappen und stempelte es auf große Umschläge. „Ich bin fertig!“, rief ich voller Tatendrang. „Vielen Dank, für Ihr entgegengebrachtes Interesse an unserem Unternehmen, aber…“ schallt es zurück.

In der Grundschule wusste man noch, was einen erwartet.

 

 

 

P.S: Ich hatte auch mal einen Lehrer, der hieß Herr Abwisch…

disziplinierte Mädchen und StudentInnen-Klischees

Ich sitze hier in dem Bibliotheks Café der Universität Leipzig, schreibe einen Text vor, weil ich nicht ins Internet komme. Ich habe nämlich keinen Zugang, da ich nur Gast hier bin. Vielleicht sollte ich erklären: Ich studiere an einer kleinen Hochschule in der Nähe und nicht an der Uni Leipzig. Für das letzte und von wenigen Seminaren geprägte Semester, wollte ich nochmal Leipzig und richtiges WG Leben ausprobieren. Meine HS ist klein und fein, aber nicht für ‚das Studenbtenleben‘ bekannt, von dem immer alle so geschwärmt haben. Ich habe es genossen dort, werde es auch vermissen, aber der Fakt über meine HS erklärt die folgende Euphorie:

Ich halte mich also hier in der wunderschönen, unglaublichen Bibliothek auf. Ich übertreibe nicht, diese Schönheit ist genau so, wie man sich eine Bibliothek vorstellt: riesig, historischer Palast, wunderschöner Fußboden, große Treppen, hohe Decken, Holz, über versteckte Wendeltreppen zu erreichende Galerien, hölzerne Pulte zum Bücher lesen, Säulen und natürlich Massen an Büchern. Die Massen an Büchern fielen mir heute auf, weil sich der riesige Lesesaal auf der rechten Seite, in der gleichen majestätischen Größe noch einmal auf der linken Seite spiegelt.
Jetzt sitze ich also in dem hippen Caféchen, wo man auf Stufen unter großen Fenstern sitzen kann und gönne mir einen leckeren Schokokuchen. Vielleicht sollte ich sagen, „Ich hatte ja noch nichts zum Mittag und die letzten Tage eh nichts Süßes“. Aber ich habe ja schon gönnen geschrieben, das impliziert ja seltenen Genuss und reicht, um zu betonen, dass ich ein diszipliniertes Mädchen bin.

Witzig, dass um mich herum so viele Leute arbeiten, ich dachte dafür geht man in die ruhigeren Ecken der großen Bibliothek, aber auch hier sitzen Leute mit Laptops. Vielleicht schreiben die auch nur einen Blogeintrag… Mir reichen die ruhigen Ecken jedenfalls schon wieder für heute. Ich habe mich ganze drei Stunden auf meine Bachelorarbeit konzentriert! So lange am Stück konzentriere ich mich selten. Aber ich muss jetzt so konzentriert, zusammengefasst arbeiten. Eine große Baustelle vor meinem Fenster verhindert die lückenhaft konzentrierte Arbeit zuhause. Wenn ich dort bleibe, bringt mich der Lärm jedes Mal zur Weißglut. Vor allem die Lärmpause um neun, weil ich ja nicht eh schon wegen denen um sieben aufstehen muss. Ja ich weiß, die Leiden der jungen Faulenzerin… Aber zu meiner Verteidigung, ich stehe jetzt pünktlich um sieben auf, um dem Lärm zu entgehen und schreibe fleißig an anderen Orten, wie der Bibliothek. So schnuppere ich also doch noch ‚richtige‘ Studentenluft. Und das ist toll! Ich sehe nämlich gerade Gelesenes direkt in der Praxis, hier im Café. Ich lese für meine Arbeit nämlich Texte und Bücher (ach was) über Selbstinszenierung und den Wunsch nach Anerkennung. Herrlich, aufblicken und Menschen mit Hornbrillen und langen Trenchcoats sehen. Ob die sich auch als Performance-Kunstwerk betrachten, wie Kayne West? Das Performance-Kunstwerk hier, nennt sich bestimmt ‚Die StudentInnen‘.
Ich habe mir schon oft Gedanken über Selbstinszenierung gemacht. Ich dachte, Wahnsinn das machen so viele! Sehen die nicht, dass sie totale Rollentypen sind, sich Klischees bedienen? Hallo ihr macht euch alle gegenseitig nach, schminkt euch doch den Arsch, macht man jetzt auch!
Natürlich dachte ich auch, das machen viele, aber Ich nicht! Jetzt lese ich von E.Park: dass jeder, mehr oder weniger bewusst, Rollen spielt und sich in diesen selbst erkennt. Die Rolle „ist die Maske unser wahres Selbst: das Selbst, das wir sein möchten. […] Wir kommen als Individuen zur Welt, bauen einen Charakter auf und werden Personen.“
Uaaaa Gänsehaut. Ich meine 1. Bestätigung 2. Hä, ich doch nicht?!

Okay ich muss wohl einsehen, schließlich studiere ich, dass, wenn jeder eine Rolle spielt, auch ich dies tue, etwas inszeniere… Aber komm schon, das mache ich sehr schlecht!! Ich passe doch nirgendwo rein: die Rolle der Studentin spiele ich schlecht, ich sehe nicht so aus und habe mir den Studiengang ausgesucht, der sehr, sehr wenig mit studieren zu tun hat. Mehr mit machen und zwar irgendwas, egal, Hauptsache machen.. Ich fahre auch kein Rennrad, trinke keinen Club Mate, ach und über meinen nicht vorhandenen Klamottenstil habe ich glaube ich schon geschrieben… oder? Ich meine, gerade laufe ich rum wie ein Schlumpf (ich meine die Farbe) und wünschte mir manchmal, dass an solchen Einrichtungen steht „Bitte nur mit folgendem Dresscode betreten: …“.

Ja vielleicht stimmt das mit den Rollen. Vielleicht bin ich auch neidisch, kein typisches Studentenleben zu leben, obwohl ich entgegen meine früheren Erwartungen doch studiere. Vielleicht hätte ich die Rolle mehr einnehmen müssen, um zufriedener mit dem Studium zu sein?

Egal… Gedanken abbrechen, der Schokokuchen ist bereits gegönnt wurden. Packe meinen Laptop jetzt wieder in den Siebdruck-Jutebeutel und gehe meinen Weg zurück durch ‚Die StudentInnen‘ und nehme noch wahr: „Hey, ich gönn mir ne Pizza!“ Ja du hast sie bereits  in der Hand, aber erklär dich ruhig, hab ich auch gemacht!